Label Jena Lichtstadt
Kontakt
Projektmanagement / Denkmal- und Kunstförderung
Evelyn Halm
Knebelstr. 10
07743 Jena

Tel. +49 3641 49-8037
Fax +49 3641 49-8005
evelyn.halm@jena.de

Steine, Kunst oder Kann das weg?

Kurzes Resümee zu einer Podiumsdiskussion

Podium Kunst_16032017 Es spricht Olaf Müller aus Aachen, daneben Dr. Rosemarie Pahlke aus Dortmund ©JenaKultur

Am vergangenen Donnerstagabend, 16. März 2017, fand im schönen historischen Ambiente des Stadtspeichers, Markt 16, eine Podiumsdiskussion zum Thema „Steine, Kunst oder Kann das weg?“ statt. Der etwas provokante Titel spielte auf eine zu konstatierende wachsende Respektlosigkeit gegenüber Kunst im öffentlichen Raum an, wie er sich in den zunehmenden Aufwendungen für die Beseitigung von Vandalismusschäden manifestiert.

Das Podium war mit ausgewiesenen Fachleuten besetzt: Olaf Müller aus Aachen, Susanne Knorr aus Erfurt, Dr. Jessica Beebone aus Frankfurt/M., Dr. Matthias Lerm aus Jena und Dr. Rosemarie Pahlke aus Dortmund, die freundlicherweise kurzfristig für die erkrankte Rose Pfister aus Bremen einsprang. Moderiert wurde das Gespräch durch JenaKultur-Werkleiter Jonas Zipf, der nach Vorstellung aller Beteiligten, allesamt in ihren Städten – direkt oder indirekt – mit Kunst im öffentlichen Raum befasst, das Jenaer Dilemma zu beschreiben versuchte, indem er darauf hinwies, dass man statt Kultur zu gestalten, immer mehr dazu verdammt sei, sie lediglich zu verwalten. Evelyn Halm, „Einzelkämpferin“ bei JenaKultur u.a. für die Belange der Kunst im öffentlichen Raum, illustrierte eingangs an einigen ausgewählten Jenaer Beispielen, etwa Burschenschaftsdenkmal oder auch Ernst-Abbe-Pavillon, wie dramatisch sich die Situation darstellt, da teilweise der Etat zur Beseitigung von Vandalismusschäden mehr als ein Viertel des jährlichen Gesamtbudgets ausmache. Tendenz steigend.

Überraschenderweise kamen aus Erfurt und Frankfurt/M. völlig andere Befunde. In Erfurt mag es an der klaren Zuständigkeitstrennung zwischen Kulturdirektion und Denkmalbereich liegen. Die Kulturdirektion hat lediglich alle diejenigen Objekte im Stadtraum in ihrer Verwaltungsträgerschaft, die nach 1953 entstanden sind. In Frankfurt/M. gibt es neben einer Stabsstelle für ein sauberes Frankfurt/M. auch ein Antigraffittiprogramm. Hier werden gemeinsam mit Hausbesitzern Flächen für Besprayungen gesucht. Die Sprayer-Projekte werden dann von der Stadt begleitet und auf einer Website präsentiert. Womöglich ist so jugendlicher Gestaltungsenthusiasmus klug kanalisiert worden!? In Köln hingegen gipfelte die Missachtung in Affronts gegen den Dom. Nicht selten wird er als Urinal missbraucht. Und im Aachener Dom – auch er wie sein Pendant in Köln Weltkulturerbe! – wurden schon mehrmals Fenster eingeworfen. Besonders in der Karnevalszeit steigt die Gefährdungslage. Deshalb ist man in Aachen dazu übergegangen, Objekte im Stadtraum für diese Zeit einzuhausen, um sie zu schützen.

Mit einem Blick in die 60er des vorigen Jahrhunderts wurde ein sehr interessanter Argumentationsstrang eröffnet. In dieser Zeit entstand ein neuer Blick auf den urbanen Raum. Die Runde rekurrierte dabei auf Hilmar Hoffman (Kunst für alle) und Alexander Mitscherlich (Die Unwirtlichkeit unserer Städte. Anstiftung zum Unfrieden). Schließlich etablierte sich der Terminus Kunst im öffentlichen Raum oder auch Public Art, der besonders eine neue Wahrnehmung der Kunst nach sich zog. Hoffmann sprach von einer Demokratisierung der Kunst, die ihre Ablösung von Institutionen forderte. Insofern ergab sich spätestens hier ein neuer Aspekt in der Kunstrezeption. Neben den Denk- und Mahnmalen, also Objekten der Erinnerungskultur, entstanden nun Objekte, die entweder den urbanen Raum verschönern oder Sehstörungen schaffen sollten, die also stark auf Interaktion setzten. Das bedeutete für die Kunst auch in gewisser Weise einen – gewollten – Verlust von Autorität. Manche heutige Respektlosigkeit gründet wohl in letzter Konsequenz auch darauf, mutmaßte die Runde. Insofern muss eine Gesellschaft, die offen sein und bleiben will, ihre Vermittlungs- und Kommunikationsangebote immer neu denken. Bezüglich der Kunst im öffentlichen Raum geht es folglich zuallererst um das Klarmachen von Unterschiedlichkeit. Müssen beispielsweise zu Denkmalen Barrieren eher verstärkt werden, so kann im anderen Fall ein „Benutztwerden“ der Kunst regelrecht erwünscht sein (etwa bei bespielbaren Plastiken oder auch Brunnen). Und wie kann man nun erfolgreich sensibilisieren? Dortmund hat hier einige Formate – wie etwa thematische Kunstspaziergänge – entwickelt, die sich unterdessen einer regelrechten Fangemeinschaft erfreuen. Neben solchen pädagogischen Angeboten für unterschiedlichste Zielgruppen, die neues Sehen ermöglichen, sollte Kunst im öffentlichen Raum konsequent gekennzeichnet und erklärt werden. Ihren Wert zu vermitteln, bezweckt auf Jena bezogen, auch eine neue Publikation, die die Kunst im Stadtraum komplex vorstellt und erläutert („...denn die Kunst ist eine Tochter der Freiheit“. Kunst im Stadtraum von Jena, Verlag Bussert & Stadeler; ISBN 978-3-942115-43-8, 19,90 Euro).

Und obendrein braucht es Diskurse etwa zu den Themen „Wie wollen wir in unseren Städten leben?“ Insoweit wird die Reihe von Podiumsdiskussionen zu wichtigen virulenten kulturpolitischen Themen auch konsequent fortgesetzt: zum Kirchentag auf dem Weg im Mai zum Thema Landflucht im Osten (Freitag, 26. Mai 2017, 11 Uhr im Volksbad Jena; Titel „Die Kirche im Dorf lassen?“) und im September zum Thema „Freiräume für die (Sozio-) Kultur“.

Veranstaltungen
April
Mo Di Mi Do Fr Sa So
01 02 03 04 05 06 07
08 09 10 11 12 13 14
15 16 17 18 19 20 21
22 23 24 25 26 27 28
29 30 01 02 03 04 05
Social Media
Kontakt
Projektmanagement / Denkmal- und Kunstförderung
Evelyn Halm
Knebelstr. 10
07743 Jena

Tel. +49 3641 49-8037
Fax +49 3641 49-8005
evelyn.halm@jena.de
Label Jena Lichtstadt