2009 wurde ein beschränkter künstlerischer Wettbewerb für ein Denkmal zu folgendem Thema ausgelobt: "Zum Gedenken an die politisch Verfolgten in der sowjetischen Besatzungszone (SBZ) und in der DDR zwischen 1945 und 1989".
Als Siegerentwurf wurde der Entwurf der Weimarer Künstlerin Sibylle Mania ausgewählt, der ein künstlerisch gestaltetes Denkmal zeigt. Es befindet sich auf einer Wiesenfläche an der Einmündung der Gerbergasse in die Saalbahnhofstraße in unmittelbarer Nähe zum ehemaligen Sitz der Kreisdienststelle des Ministeriums für Staatssicherheit.
Umsetzung des Entwurfs
Umgesetzt wurde der Entwurf 2010 zusammen mit Martin Neubert als Installation mit mannshoch aufgestapelten, plastisch gestalteten Aktenbehältern aus gefärbtem Beton auf einer Grundplatte aus Cortenstahl.
Das Denkmal besteht aus folgenden Elementen:
Widmung
Das Denkmal zeigt folgende Widmung: "All denen, deren Menschenwürde verletzt wurde, den Verfolgten, die gegen kommunistische Diktatur aufrecht für Demokratie und Menschenrechte einstanden. 1945 - 1989."
Die Einweihung des Denkmals erfolgte am 17.06.2010.
Gründe für den Wettbewerb
Der 20. Jahrestag der friedlichen Revolution von 1989 ist der Stadt Jena Anlass und gleichermaßen Bedürfnis für eine sachliche Aufarbeitung und konstruktive Auseinandersetzung mit der jüngeren Vergangenheit gewesen.
Denkmal als Teil des Erinnerungskonzeptes
Zu den vielfältigen Aktivitäten im Rahmen eines Erinnerungskonzeptes im Umgang mit der kommunistischen Vergangenheit gehörte ein jenaspezifisches Denkmal. Es soll in würdiger und angemessener Weise, historisch prägnant, anschaulich und zeitgemäß an Unrechtserfahrungen und staatliche Repressionen, aber auch demokratisches Aufbegehren in unserer Stadt erinnern.
Einen flexiblen und anspruchsvollen Rahmen hierfür bot ein künstlerischer Wettbewerb. Die Stadt Jena entschied sich für eine beschränkte, anonym durchgeführte Auschreibung in 2 Stufen. Die Auswahl der Künstler erfolgte auf der Basis von Vorschlägen durch Nominatoren und durch die Stadtratsfraktionen.
Fünf Entwürfe in der zweiten Wettbewerbsrunde
Im Frühjahr 2009 wurden 14 nationale Künstler eingeladen, Ideenskizzen zu entwickeln. Eine unabhängige Fach- und Sachpreisjury wählte aus diesen im Juli 2009 fünf Entwürfe für die zweite Wettbewerbsrunde aus. Die ausgewählten Künstler wurden daraufhin zur Vorlage eines weiterentwickelten, detaillierten Realisierungsentwurfs mit anschaulichem Modell und Kostenschätzung aufgefordert. Die Jury erwählte im Oktober 2009 einstimmig einen Siegerentwurf, der vom Stadtrat im Dezember 2009 bestätigt wurde.
Die fünf nominierten Entwürfe wurden vom 19.11.2009 bis 17.01.2010 in einer Ausstellung in der Galerie des Stadtspeicher e. V., Markt 16, präsentiert.
Die Einweihung des Denkmals erfolgt am 17.06.2010.
Sibylle Mania – Fotografin und Bildhauerin
Martin Neubert – Bildhauer
Über die weiteren Absätze erhalten Sie Hintergrundinformationen zu den historischen Daten, die in das Denkmal Eingang gefunden haben. Die Texte wurden vom Historiker und Soziologen Dr. Dirk Moldt verfasst.
Vorgeschichte des Volksauftsands
Aufgrund sowjetischen Drucks rief die SED am 11. Juni einen "Neuen Kurs" aus, in dem versprochen wurde, Normerhöhungen und Preissteigerungen zurück zu nehmen und enteignete Händler und Handwerker konnten die Rückgabe ihrer Betriebe beantragen.
Dennoch kam es in den Folgetagen immer wieder zu Arbeitsniederlegungen und Kundgebungen. Nachdem ein hoher Funktionär der Staatsgewerkschaft am 16. Juni die Normenerhöhungen verteidigte, legen die Bauarbeiter in Berlin-Friedrichshain die Arbeit nieder und zogen zur Innenstadt. Tausende schlossen sich an.
Der 17. Juni
Die Proteste entwickelten sich am 17. Juni zu einem landesweiten Aufstand. In über 500 Orten kam es zu Arbeitsniederlegungen und Kundgebungen. In vielen Städten wurden Gemeindevertretungen, SED-Büros, Polizeistationen und Gefängnisse besetzt, insgesamt wurden etwa 1.400 Häftlinge befreit. Die DDR-Sicherheitskräfte waren überfordert.
Von den 217 Stadt- und Landkreisen befanden sich 167 im Ausnahmezustand. Die Zahl der Aufständischen wird auf 400.000 bis 1,5 Millionen geschätzt.
Ab 10:00 Uhr fuhren in Berlin und ab Mittag und Nachmittag in anderen Städten sowjetische Truppen auf und zerstreute die Menschenmengen, mitunter unter Einsatz von Schusswaffen.
Von 21:00 bis 5:00 Uhr wurde über die ganze DDR eine Ausgangssperre verhängt. Die SED sprach von einem "faschistischen Putsch" und ließ den Aufstand in bestellten Solidaritätsbekundungen verurteilen. Im Schnellverfahren verurteilten sowjetische Standgerichte Aufständische wie den 26-jährigen Schlosser Alfred Diener aus Jena zum Tode.
Ereignisse in Jena
Auch Alfred Diener, der mit Walter Scheler und Herbert Bähnisch dem SED-Parteisekretär in der SED-Kreisleitung am Holzmarkt die Forderungen der Aufständischen übergeben hatte, wurde zum Tode verurteilt und hingerichtet.
In Jena waren 20.000 Demonstranten zum Holzmarkt gezogen und hatten dabei Büros kommunistischer Massenorganisationen, wie des FDGB, der FDJ und der SED gestürmt – aber auch das Polizeirevier Am Steiger, wo die Inhaftierten freigelassen worden waren.
Insgesamt werden die in der ganzen DDR im Zusammenhang mit dem Aufstand ums Leben gekommenen Menschen auf 50 bis 125 geschätzt. Weil neuere Forschungen ergaben, dass es nicht nur überwiegend Arbeiter waren, die sich an den Protesten am 17. Juni beteiligt hatten, sondern Bevölkerungsteile aus allen sozialen Schichten, spricht man auch von einem Volksaufstand.
Literatur
Der 17. Juni 1953 in Thüringen. Vorgeschichte, Ereignisse, Folgen, in: Gerbergasse 18, Nr. 29 (2/03).
Torsten Diedrich: Waffen gegen das Volk. Der 17. Juni 1953 in der DDR, München 2003.
Ulrich Mählert (Hrsg.): Der 17. Juni 1953. Ein Aufstand für Einheit, Recht und Freiheit, Bonn 2003.
Alfred Diener wurde 1927 in Jena geboren. Nach der Volksschule lernte er den Beruf eines Schlossers. Er wurde nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs zunächst Volkspolizist, danach arbeitete er als Autoschlosser.
Diener und der 17. Juni 1953 in Jena
Am 17. Juni 1953 war auch Diener auf dem Holzmarkt dabei, wo sich gegen 10.00 Uhr etwa 20.000 Demonstranten befanden.
Zusammen mit Walter Scheler und Herbert Bähnisch, die beide von ihren Kollegen dazu beauftragt worden waren, ging Diener spontan zur SED-Kreisleitung mit, um dort die Forderungen der Demonstranten vorzutragen. Scheler und Bähnisch sahen Diener hier zum ersten Mal.
Verhaftung
Am Nachmittag wurden die drei verhaftet und zunächst zur Kaserne Löbstedt gebracht, dort verhört und misshandelt. Am anderen Tag fuhr man sie nach Weimar, wo ein sowjetisches Militärtribunal Gericht über sie halten sollte. Alfred Diener forderte auf dem Weg dorthin seine Mitgefangenen auf, nichts auszusagen und stattdessen alles auf ihn zu schieben.
Todesurteil und Hinrichtung
Wahrscheinlich war ihm gar nicht bewusst, wie ernst die Lage war, denn während Scheler und Bähnisch zu 25 Jahren Zwangsarbeit verurteilt wurden, fällte das Gericht gegen ihn das Todesurteil, das kurz darauf vollstreckt wurde.
In der Absicht, die Bevölkerung von weiteren Protesthandlungen abzuschrecken, verkündeten Lautsprecherwagen und Plakate in Jena die Vollstreckung des Todesurteils. Eine besondere Tragik bestand darin, dass Alfred Diener am 19. Juni die Mutter seines ein halbes Jahr alten Sohnes heiraten wollte und die Gäste bereits zur Feier geladen waren.
Ehrung für Diener
1993 wurde eine Straße in Jena nach Alfred Diener benannt und 1995 rehabilitierte ihn die Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation vollständig. Im Hof des Weimarer Polizeireviers, wo Diener ermordet wurde, befindet sich heute eine Gedenktafel.
Literatur:
Der 17. Juni 1953 in Thüringen. Vorgeschichte, Ereignisse, Folgen, in: Gerbergasse 18, Nr. 29 (2/03).
Frank Döbert: Der Schrei nach Freiheit – zum 17. Juni 1953 in Jena, in: Gerbergasse 18, Nr. 1 (1/96).
Ina Scheibe: Unvermittelt verurteilt – nach Denunziation. Der 17. Juni und seine Folgen für Werner Beer, in: Gerbergasse 18, Nr. 1 (1/96).